Haze – Dicke Luft in Indonesien

Nahe Sumatra stoßen gleich drei verschiedene Kontinentalplatten aufeinander. Deshalb gibt es auf der Insel zahlreiche aktive Vulkane und heiße Quellen, aus denen Dampf emporsteigt. Doch der Qualm, der dieser Tage wieder zu sehen und zu spüren ist und den wir auf unserer Reise hautnah miterlebten, hat damit nichts zu tun. Pünktlich gegen Ende der Trockenzeit zwischen September und November ziehen die Rauchschwaden von Sumatra hinüber zur Westküste Malaysias; zeitweise bis hoch nach Thailand. Jährlich berichten Medien dann weltweit über den Smog in Singapur und Kuala Lumpur – den wichtigsten Metropolen, die an der Küste und direkt gegenüber der größten Buschfeuer liegen. Hier sind von der Luftverschmutzung und den wenigen Metern Sichtweite besonders viele Menschen betroffen… Es ist wieder Brandrodungs-Saison.

Der Originalbeitrag wurde in heute – in Deutschland am 15.09.2016 gesendet. | Link zur ZDF-Mediathek

Prolog

Wie zuletzt berichtet, profitierten wir sehr vom gegenseitigen Austausch unter den Freiwilligen bei Biji-biji. Von einem Reiseziel schwärmten die Volontäre ganz besonders: Dem Tobasee (Dazu bald mehr). Hiervon angeregt, beschlossen wir spontan, zwei Wochen Sumatra zu bereisen. An einem unserer letzten Abende in Kuala Lumpur standen wir gemeinsam Bier-trinkend auf dem Balkon und beschwerten uns halb ernst halb scherzhaft darüber, dass der Himmel hier stets so grau aussehen würde. „Das, meine Lieben, ist bislang der schönste September, den ich seit Jahren hier erlebe.“, gab uns daraufhin Gurpret, einer der Gründer von Biji-biji, zu bedenken. „Sie fackeln gerade mal wieder den Wald für neue Palmen ab. Die Einheimischen hier“ – so erzählte uns Gurpret weiter – „unterscheiden typischerweise zwischen drei Jahreszeiten: Trockenzeit, Regenzeit und Brandrodungszeit. Die letzten Jahre war es nicht grau, sondern tief schwarz am Himmel (…)“. Als Haze wird der Dunst dann bezeichnet. Um das gleich vorwegzunehmen. Auch dieses Jahr sollte es wieder genauso schlimm wie in den Vorjahren werden. Aber noch waren die Feuer nicht auf ihrem Höhepunkt – und wir nicht in Sumatra…

Crashkurs Palmöl: Konsum und Produktion

Palmöl kommt überall zum Einsatz und die Nachfrage steigt kontinuierlich.

Palmöl ist nicht nur in Asien das dominierende Bratfett. Auch in Europa landet es in gut der Hälfte aller industriell gefertigter Lebensmittel – das betrifft Schokolade, Tütensuppe, Pizza oder auch Eiscreme. Palmöl steckt in Biotreibstoffen. Es ist in zahlreichen Kosmetika verarbeitet. Und was die meisten nicht wissen: Für die Herstellung der allermeisten Waschmittel wird ebenfalls Palmöl verwendet (nicht deklarierungspflichtig). Kurz gesagt: Palmöl kommt überall zum Einsatz und die Nachfrage steigt kontinuierlich.

Malaysias und Sumatras Anteil der globalen Palmöl-Produktion liegt gemeinsam bei über 80%. Nachdem Malaysia bereits Anfang des 20. Jahrhunderts mit der Kultivierung von Ölpalmen begann, sind heute weite Landesteile mit Monokulturen übersäht.

Was haben Sumatra und der Regenwald damit zu tun?

Das Lohnniveau in Malaysia liegt im Vergleich zu seinen direkten Nachbarn eher hoch, das Land ist industrialisiert und reglementiert. Der Markt für Palmölplantagen im wilden, stellenweise unzugänglichen und immer noch großflächig von Regenwald bedecktem Sumatra jedoch birgt noch ein großes „Potential“.

Der steigende Konsum und das Wachstums-Bestreben der Konzerne sind verantwortlich dafür, dass in Sumatra jedes Jahr stetig neuer Raum für Plantagen geschaffen wird. Im Dschungel werden Brandherde gesetzt, um so riesige Flächen intakten Regenwaldes innerhalb kurzer Zeit zu roden und so wirtschaftlich erschließbar zu machen. Schenkt man den allgemeinen Meinungen im Land Sumatra Glaube, so läuft das verhältnismäßig simpel ab: Ortsansässige, die Geld gut gebrauchen können, bekommen unter der Hand von den Palmölfirmen einige Millionen Rupien und machen dafür erst Feuer und sich dann aus dem Staub. Ist erst einmal der Wald weg, mitsamt seiner Touristenmagneten – den Urang Utans – und was dort sonst so hingehört, können die Palmölfirmen das „zufällig“ entstandene Brachland günstig aufkaufen. Alles, was dem Gewerbe im Weg steht, kann man im korrupten Sumatra relativ einfach durch Zahlungen von Schmiergeldern gerade biegen. Jeder Beamte hat seinen Preis.

Google Maps von Sumatra. Im Nord-Osten sind die Nachbarländer Singapur, Malaysia und Thailand.

Singapore hat wegen seiner persönlichen Betroffenheit bereits kostenlos die Lieferung von Löschflugzeugen angeboten. Die Offerte wurde ausgeschlagen. Seit Jahren beschwert sich Malaysia über die Rauchschwaden bei den zuständigen Regierungen in Sumatra. Ohne Erfolg! Wie ernsthaft und nachhaltig die getätigte Kritik tatsächlich gemeint ist, kann in Zweifel gezogen werden. Denn an den Rodungen in Indonesien sind angeblich auch maßgeblich malaysische Unternehmer beteiligt.

Persönliche Erfahrungen mit dem Haze

Der PSI stieg zeitweise auf über 800.

Wir verfolgten über entsprechende Webseiten und Apps täglich den Index der örtlichen Luftverschmutzung und flohen vor ihr, so gut es ging. Erst in den Westen Sumatras, dann in den Norden Malaysias – und doch sahen wir über Wochen kaum mehr blauen Himmel. Lediglich an einigen wenigen Tagen, wenn es zuvor stark und lang geregnet hatte, der Dreck aus der Luft gewaschen war und einige Brände erloschen, genossen wir ein paar Stunden schönen Wetters, ehe die Feuer von neuem entfachten. Manchmal saßen wir im Hotelzimmer und warteten auf besseres Wetter, manchmal zogen wir trotz Haze und schlechter Luft los. Auf Langkawi steckten wir einen Tag lang fest: Der Flughafen verfügte über kein Leitsystem und so ließ die eingeschränkte Sicht weder Abflug noch Landung zu.

Zwischen Mitte September und Anfang Oktober waren die Feuer auf ihrem bisherigen Höhepunkt und die Lage wurde besonders prekär. Der Air Quality Index (AQI) – teils auch als Pollution Standard Index (PSI) betitelt – stieg zeitweise auf über 800. Bereits ab 400 ist die die Höchststufe erreicht und die Luftverschmutzung gilt als sehr gefährlich. In den betroffenen Regionen Sumatras wurden daher Frauen mit Ihren Säuglingen evakuiert, in Kuala Lumpur Schulen geschlossen, für den großen Preis von Singapur der Formel 1 wurde angeblich künstlich Regen herbeigeführt, um die Luft für Fahrer und Fans kurzzeitig zu verbessern.

Schlusswort

Es ist schwierig, nicht hoch-emotional oder mit erhobenem Zeigefinger zu schreiben, wenn man die Situation live miterlebt hat. Von der Zerstörung des Regenwaldes mit all seiner einzigarten Natur einmal abgesehen… Gerade im Süden Sumatras binden die unter dem Regenwald befindlichen Torfmoore große Mengen CO2. Diese werden nun frei gesetzt, da das Torf ebenfalls Feuer gefangen hat. Auch zerstört die Brandrodung langfristig den Tourismus in Sumatra (die meisten kommen für Dschungel-Safaris) bzw. schafft auf kurze Sicht zumindest enorme Einbußen (inkl. Nachbarländer). Denn wer will schon am Strand abhängen oder einen Vulkan besteigen, wenn er die eigene Hand vor Augen kaum sehen kann? Fakt ist aber auch: Solange der Bedarf an Palmöl wächst und der öffentliche und politische Druck auf die Regierung und Konzerne in Sumatra nicht massiv steigt, wird sich die nächsten Jahre an der Situation nichts verändern…

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