In und um Huangshan: Naturparadies oder Touristenmagnet?

Von Pingyao ging es in Tagesetappen per Zug weiter in Richtung Huangshan-Gebirge – unserem nächsten großen vorab gesetzten Ziel. Von den einmalig schönen, schroffen, steil aufragenden und Pinien-bewachsenen Felsformationen hatte ich vorab gehört und gelesen. Seither stand für mich fest, dass ich dort wandern und die Natur erleben wollte.

Präfix

Doch bevor wir dort ankamen, passierten wir Xi’an, Zhenzhou, Bozhou und Hefei – Allesamt im Grunde Metropolen ihrer jeweiligen Region mit jeweils mehreren Millionen Einwohnern, viel Dreck, Verkehr und Tagesgeschehen. Wir streiften diese Orte mehr oder minder oberflächlich, nahmen uns jeweils ein bis zwei Tage Zeit, die weitere Umgebung unserer Nachtlager zu erkunden… Dabei spazierten wir über Märkte, vorbei an Sehenswürdigkeiten und Universitäts-Campus und versuchten in der kurzen Zeit die jeweilige Atmosphäre einzufangen. In diesen Städten tauchen eher selten Westler auf, sodass unsere Anwesenheit eigentlich immer mit einer gewissen Aufmerksamkeit verbunden war. Durch unseren Raritäts-Status sind wohl auch die Geduld und das Interesse zu erklären, die uns von den meisten Chinesen trotz Sprachbarriere entgegen gebracht wurden. Verlorenen Fremden zu helfen, ist hier noch Ehrensache: „Chinese people do care of foreigners!“, wie uns einer der helfenden Chinesen unterwegs erklärte. So zeigten auf der Straße angesprochene Passanten nicht einfach in eine Richtung, wenn wir Ihnen signalisierten, dass wir einen bestimmten Ort suchten; grundlegende Englisch-Kenntnisse vorausgesetzt, brachten sie uns meist persönlich bis ans Ziel – teilweise bestanden sie sogar darauf, für uns das Busticket zu bezahlen…

Huangshan-City

Auch in Huangshan-City, wo wir nach zehn Tagen Städte-Hopping ankamen, erging es uns nicht anders: Ein 15-jähriger Chinese, den wir im Bus kennen lernten, stieg extra mit uns aus dem Bus, um für und mit uns den Weg zu dem gebuchten Familien-Hotel in einer Seitengasse zu erfragen. Dabei brachte er von der Kioskfrau in Erfahrung, dass der Hotelbesitzer uns bereits suchen würde. Dieser tauchte dann auch kurze Zeit später auf, mit einem braunen Pappschild in der Hand, auf dem in Großbuchstaben unseren Namen notiert waren…

Wir wohnten direkt im Stadtkern nahe des Bahnhofs, der nach dem ehemaligen Ortsnamen immer noch Tunxi genannt wird. Eigentlich ein perfekter Startpunkt, um von dort mit dem Bus in die Natur zu tuckern… Doch leider meinte es das Wetter nicht gut mit uns. Als wir in der Lobby sitzend und planend erzählten, wir wollten am kommenden Tag ins Gebirge zum Wandern aufbrechen, meinte der Hotelbesitzer, dass würde wohl nicht möglich sein, weil sich gerade über den Gipfeln ein Taifun zusammenbrauen würde. Tatsächlich sagte das Meteo die gesamten nächsten Tage strömenden Regen voraus. Wir beschlossen daher, unserem Vorhaben etwas mehr Zeit zu geben, den Sturm in Ruhe wüten zu lassen und machten es uns vor Ort bequem…

Eine Eigenart, die uns eigentlich in allen chinesischen Städten auffiel, die wir aber in Huangshan-City besonders auskosteten, sind die vielen tollen Straßenstände, mit denen bereits in den frühen Morgenstunden die Gehwege gefüllt sind. Auf präparierten Rikschas werden Obst, Gemüse, Fisch und Fleisch, aber auch fertig Gebackenes und Gekochtes dargeboten. Ein Reichhaltiges Angebot, man kann dort gut und günstig essen. Frisches Fladenbrot aus dem mobilen, eisernen Kohleofen für 2 Yuan. Verschieden gefüllte Wraps oder Omeletts für meist 3-6 Yuan. Wir probierten jeden Tag etwas Neues.

Mount Huangshan

Die Chinesen selbst behaupten, das Huangshan-Gebirge habe die schönsten Gipfel der Erde. Die Landschaft ist geprägt von steilen Felsflanken und zahlreichen, mehrere hundert Jahre alten Pinien (eine jede mit eigenem Namen und Mythologie). Angeblich diente die Gegend als Vorbild für das Landschaftsdesign im Film Avatar; wer den Film gesehen hat, hat eine Vorstellung…

Die Kehrseite der Medaille: Der Ort wird als eine der Haupt-Touristen-Attraktionen des Landes vermarktet. Um auch für Kurzurlauber den Aufstieg zu ermöglichen, sind Berge mit Seilbahnen erschlossen. Gut ausgebaute Wege machen den Aufstieg selbst für Sandalenträger möglich. Hotels auf diversen Berg-Plateaus bieten Luxus-Übernachtungen für gut betuchte Wanderer an. Sherpas bringen ganztägig zu Fuß mit Bambus-Trage-Konstruktionen alle notwendigen Lebensmittel für die Bewirtung der Gäste auf die Gipfel. An schönen Wochenendtagen ist die Gegend massiv überlaufen und die Eintrittsgelder sind unverschämt hoch (nie zuvor musste ich Eintritt zahlen, um auf einen Berg zu dürfen).

Dennoch ließen wir uns nicht abschrecken…

Persönliche Erfahrung vor Ort

In aller Frühe brachen wir auf und nahmen den Bus. Bereits dort machten wir Bekanntschaft mit einer Vierergruppe junger Studenten, denen wir uns anschlossen, was uns viel Ärger und Probleme ersparte und gleichzeitig für nette Begleitung sorgte. Sie retteten uns vor den einheimischen Abzocker-Methoden und führten uns entlang der chinesischen Beschilderung.

Vor Ort war das Wetter sogar noch schlechter als bei der Abfahrt in der Stadt: Strömender Regen und nur wenige Meter Blickweite. Zum Glück konnten wir unsere miserablen Regenjacken durch von anderen weggeworfene Instant-Capes in Knall-Gelb verstärken.

Unser Eindruck: Trotz Massentourismus und der Eingriffe in die Natur auch bei schlechtem Wetter absolut „sehens“-wert. Die Atemberaubenden Abhänge tauchten im Tal in Nebel-verschleierte Wälder, sodass die Landschaft mehr zu erahnen als tatsächlich zu sehen war. All dies sorgte jedoch für eine märchenhaft verklärte, geheimnisvoll mystische Stimmung, die wir den gesamten Tag trotz Nässe sehr genossen. Allerdings sollte man mancherorts schwindelfrei sein, da man dort bis auf den letzten Zentimeter an den Abgrund heranläuft…

Durchgeweicht, aber um neue Eindrücke reicher, kehrten wir gegen Abend in unser Hotel zurück, um den Tag mit einer warmen Dusche abzuschließen.

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