Sumatra Part 1 – Eine Reise ins Ungewisse

Wir ließen unnötigen Ballast zurück und machten uns mit nur 6 kg Handgepäck pro Person um 4 Uhr frühs von Kuala Lumpur aus auf den Weg nach Sumatra. Es war nicht ausreichend Zeit, sich vorab über die Insel zu informieren und so flogen wir mehr oder minder ins Ungewisse. Insgesamt verbrachten wir hier zweieinhalb Wochen, entdeckten fünf außergewöhnliche Orte und hörten währenddessen unendlich viele „Hello, Misterrrrr!“-Zurufe. Von alldem möchte ich euch in den folgenden, aufeinanderfolgenden Artikeln berichten…
Als sechstgrößte Insel der Welt ist Sumatra um einiges weitläufiger, als wir es uns im Voraus vorgestellt hatten. Bis 1950 war die Insel fast vollständig mit Regenwald bedeckt, allerdings sind viele der Tieflandregenwälder mittlerweile vernichtet und mussten neuen Palmölplantagen weichen (siehe auch Carstens letzter Artikel: Haze – Dicke Luft in Indonesien).
In Padang
Das Flugticket nach Padang für 20 € pro Person erschien uns unschlagbar günstig. Dort angekommen stellten wir jedoch fest, dass an kleineren Flughäfen in Indonesien eine zusätzliche Visa-Gebühr von 35 US-$ erhoben wird. Wir nahmen den Shuttle-Bus ins Stadtzentrum, wo sich unser vorab gebuchtes Hotel befand: Ein kleiner, feuchter Raum ohne Fenster, aber mit sauberem Bett und sehr nettem Personal. Am kommenden Tag, nach unserem Longtong-Frühstück und einem netten Smalltalk mit dem Besitzer, lud uns dieser prompt zum Mittagessen in sein Lieblingsrestaurant ein. Dort lernten wir die indonesische Gastfreundschaft kennen und kosteten die Speisen Nasi Soto und Gado Gado.
Padang dient den meisten Reisenden eher als Umschlagplatz für die Weiterreise auf das Surfer-Paradies der Mentawai-Inseln. Die Stadt selbst hat kulturell eher wenig zu bieten und ist kaum auf Tourismus eingestellt. Wir erkundeten dennoch verschiedene lokale Märkte, kleinere Tempel, die verschiedenen Stadtviertel und unternahmen einen Tagestrip nach Air Manis. Für die letztgenannte Tour wanderten wir 4 Stunden durch den Dschungel, wobei es schmale Pfade steil bergauf ging und der Schweiß nur so floss. Am Strand angekommen, erwartete uns eine kleine, freiliegende Insel. Glücklicherweise war gerade Ebbe (14 Uhr) und wir konnten sie erlaufen, wobei wir um ein Haar verpasst hätten, vor der Flut den Rückweg anzutreten. Zurück am Festland mussten wir feststellen, dass es im nahegelegenen Dorf selbstverständlich keinen Bankautomaten gab. Ohne genug Bargeld für eine Pension vor Ort, traten wir wenig motiviert die Rückwanderung an. Nach den ersten 30 Minuten – wir hatten gerade den ersten Hügel entlang der Autostraße erklommen – hielt ein Oplet (örtliches, umgebautes Auto, das als Sammeltaxi dient) und wir entschieden uns, aufzuspringen und uns in die Stadt fahren zu lassen. Nachdem Carsten die Kosten für 10km Fahrt von 50 auf 25 Cent runtergehandelt hatte, lehnten wir uns auf den alten Holzbänken der Marke Eigenbau zurück und genossen den Fahrtwind durch die allzeit offene Seitentür…
Auf nach Pariaman!
Ich liebe es, Zug zu fahren – besonders hier in Südostasien, wo die Fenster während der gesamten Reise heruntergelassen sind, die kleinen Händler selbstgemachte Snacks und Getränke verkaufen und die unterschiedlichsten Menschen zu beobachten sind. In Sumatra gibt es aktuell nur eine aktive Bahnstrecke – zwischen Padang und Pariaman, welche 61 km lang ist und pro Fahrt 4000 IDR kostet (entspricht ungefähr 20 Cent). Pariaman gilt als Wochenendausflugsziel für Einheimische, wogegen Westler hier eher selten anzutreffen sind. Obwohl wir in dieser Stadt weniger als 24 Stunden verbrachten und uns davon nur 10 Minuten am Strand aufhielten, war diese Zeit sehr einprägsam und nervenaufreibend für uns. Schuld daran war Mister Rais, von dem ich Euch im Folgenden erzählen möchte:
Die Geschichte von Mister Rais
In Pariaman schauten wir uns erst vor Ort nach einer Unterkunft um. Das erste, angefragte Hotel war schön, lag aber mit 20 € deutlich über unserem Budget. Ein Mann, den wir nahe des Marktes auf der Straße ansprachen, teilte uns mit, er wüsste ein schönes, günstigeres Hotel ganz in der Nähe. Dieser Mann hieß Mister Rais.
Mister Rais bot an, uns per Motorrad zu seinem Lieblings-Hotel zu fahren, was wir dankend ablehnten und die 10 Minuten dorthin zu Fuß bewältigten. Er rollte dennoch die gesamte Strecke neben uns her. Dort angekommen, fanden wir ein sehr altes, heruntergekommenes Zimmer mit dreckigem Bett vor, das angeblich immer noch knapp 15€ kosten sollte. Mister Rais zeigte sich sehr bemüht, präsentierte uns Handybilder, versuchte spürbar unser Vertrauen zu gewinnen. Schließlich beteuerte er, uns weitere, günstige, bessere Homestays zeigen zu wollen. Immer noch leicht misstrauisch, wagten wir es, auf seinem Motorrad Platz zu nehmen und zu dritt die Besichtigung fortzusetzen. Die nächsten Örtlichkeiten waren leider ebenfalls wenig vielversprechend. Inzwischen hatte er uns jedoch seine Schwester, Cousinen und andere Familienmitglieder vorgestellt sowie das eigene Wohnhaus gezeigt, wo wir freundlich bestimmt ablehnten, bei ihm übernachten zu wollen. Außerdem bot er an, am folgenden Tag mit ihm per Motorrad Wasserfälle und umliegende Dörfer zu besichtigen – alles umsonst, wie er beteuerte. Unter fadenscheinigen Ausreden schlugen wir auch dieses Angebot aus bzw. verschoben dessen verbindliche Vereinbarung auf später. Mister Rais zeigte sich in seiner Motivation unbeeindruckt von unserer allgemein ablehnenden Haltung. Genervt fanden wir schließlich gemeinsam den Weg zu Linas Homestay.
Lina ist Mutter und Großmutter, ihre Kinder sind erwachsen und ausgezogen. Die freien, tadellosen Zimmer werden daher mit Familien-Flair untervermietet. Sie war uns von Anfang an sympathisch und bot uns an, bei ihr für 7 € zu übernachten. Wir nahmen in ihrem Wohnzimmer Platz, wo uns Tee und Gebäck serviert wurde, zusammen mit Mister Rais, der die Rolle des Übersetzers einnahm. Er kannte Lina und ihren Mann eher flüchtig, benahm sich jedoch wie zu Hause, aschte beim Rauchen auf den sauberen Boden, forderte Lina dazu auf, ihm ebenfalls einen Tee zu bringen und berichtete heldenhaft, wie er uns von der Straße aufgelesen habe. Als Linas Ehegatte – ein konservativer, muslimischer Mann – erfuhr, dass wir noch nicht verheiratet seien, bestand er darauf, dass wir in verschiedenen Schlafzimmern übernachten würden. Natürlich fügten wir uns den Regeln unserer Gastgeber, zumal wir uns darauf einigten, dass wir dennoch nur für ein Zimmer zahlten.
Nachdem dies geklärt war und wir endlich eine Bleibe hatten, drängte Mister Rais darauf, doch gemeinsam den Abend zu verbringen, in einer Bar Domino oder Schach zu spielen. Seine schmierige, aufdringliche Art, die jeder Ablehnung resistent zu sein schien, war uns mittlerweile zu viel des Guten, sodass wir dies auf jeden Fall vermeiden wollten. Ich erklärte ihm, dass Carsten mich zum Abendessen ausführen wolle und wir etwas Zeit zu zweit verbringen würden. Endlich verabschiedete er sich also, allerdings nicht ohne uns zuvor ein paar Restaurants zu empfehlen.
Wir atmeten auf und genossen das friedliche, stille Abendessen mit traditionellen Speisen aus Sumatra. Als wir anschließend mit einem Eis die Straße entlangschlenderten, hörten wir jemanden hinter uns jubelnd rufen. Mister Rais war auf der Suche nach uns durch die Stadt gefahren, um uns zu finden und zum 20. Mal zu fragen, ob wir mit ihm am Folgetag einen Wasserfall und sein Dorf besichtigen wollen würden. Wir konnten ihn nur abwimmeln, indem wir eindringlich versicherten, wie müde und geschafft wir seien. Den Rest des Abends verbrachten wir mit dem Musiker Jan und seiner Familie, den wir auf dem Rückweg zu Linas Homestay zufällig vor seinem Haus sitzen sahen und ansprachen. Bei Erdnüssen, Wasser und Gesang konnten wir das erste Mal in dieser Stadt entspannen und abschalten.

Nach einer unruhigen Nacht und unzähligen Mückenstichen, wobei nicht einmal meine Augenlider verschont wurden, sorgten Linas frisch aufgebrühter Kaffee, ihre selbstgebackenen Pfannkuchen, Reisbällchen und Kekse für bessere Laune. Wir waren schon früh um halb 7 aufgestanden, aber wie sollte es auch anders sein: Nach dem Frühstück wartete vor der Haustür bereits Mister Rais auf uns und wollte den ganzen Tag mit uns verbringen. Auf die Frage, ob er denn nichts Besseres zu tun habe, entgegnete er lediglich: „Ihr seid meine Freunde und meine Tagesaufgabe besteht darin, meine Freunde glücklich zu machen…“

Für uns war klar: wir mussten weiterziehen. Wir sahen keine Möglichkeit, uns anders zu helfen, als die Flucht zu ergreifen. Da es in Strömen regnete, bot Linas Mann an, uns zum Bus zu fahren, den wir ohne ihn wohl niemals gefunden hätten. Etwas außerhalb der Stadt, stand ein kleiner, getuneter Transporter vor einem Kiosk: Unsere Mitfahrgelegenheit für die vierstündige Reise nach Bukittinggi.
Die Moral oder was wir daraus lernten
In Sumatra funktioniert Business über Connections. Man baut soziale Beziehungen auf, schließt Freundschaften und erwartet gegenseitige Gefälligkeiten. Auch wenn nicht immer explizit ein Betrag verlangt wird, für “helfende Hände” zeigt man sich erkenntlich. Dass einem “Hilfe” förmlich aufgedrängt wird, spiegelt die ortstypische, offensive Mentalität bestens wider.
Hallo ihr zwei,
endlich ein neuer Blogeintrag. Dieser Herr Rais wirkt schon etwas nervig, aber im Nachhinein ist es bestimmt eher lustig :-)
Na habt eine schöne Zeit und ich freue mich schon auf den nächsten Eintrag!
Lieben Gruß,
Tobi
Ja, so ist es… Du hast Post von mir. Schau mal in Dein Mailing-Inbox. :)
hej ihr reisenden,
ich freue mich auch sehr, endlich wieder einen neuen bericht zu lesen und anzunehmen, dass es euch gut geht! dieser mr. rais macht auch auf dem foto mit seiner hand auf carstens bein einen schleimigen eindruck. wirklich unangenehm – ich habe beim lesen mit euch mitgelitten.
ich wünsche euch einen fröhlichen nikolaustag!
drück euch!! weiterhin eine gute reise und schöne, erlebnisreiche eindrücke!
eure anna