Work Away No 2 at Homtel Farm Stay

Im nordöstlichen Landesinneren Thailands – etwa eine Autostunde von der Stadt Pak Chong entfernt – sammelten wir die bislang zweite Work-Away-Erfahrung auf unserer Reise.
Ein Guest House in Spe namens „Homtel Farm Stay“ warb uns mit Abgeschiedenheit und Naturidylle. Hier könne man jenseits des Tourismus‘ das tatsächliche Thailand entdecken und habe Zeit, sich endlich um jene Dinge zu kümmern, die auf der Reise bislang auf der Strecke geblieben seien – so die Projektbeschreibung.
Wir sollten dort für zwei Wochen für je vier Stunden am Tag bei der Instandhaltung und Pflege des Anwesens helfen. Hierfür würden wir, ähnlich wie bereits in Kuala Lumpur, im Gegenzug freie Kost und Logis erhalten. Dass der Ort hochgradig christlich geprägt ist, war (zumindest mir) anfangs nicht bewusst…
Anfahrt
Der Zug ist nicht unbedingt das schnellste und komfortabelste Verkehrsmittel in Thailand. Das örtliche Eisenbahn-Netz erinnert eher an alte Zeiten, wurde vor etwa 50 bis 100 Jahren von britischen, deutschen und japanischen Ingenieuren errichtet und seitdem kaum mehr spürbar erneuert.
Mit offenen Türen und Fenstern ging es von Bangkok aus in schleichendem Tempo durch die Vororte. Die Strecke zog sich endlos, doch als wir die letzten Stadtausläufer hinter uns gelassen hatten, gewann die Fahrt allmählich an Geschwindigkeit. Das Ruckeln der Wägen machte sich auf den harten Sitzen spürbar im Steißbein bemerkbar. Währenddessen liefen unentwegt allerlei Einzelhändler durch die Gänge. Sie preisten ihre Waren an, die (vermutlich aufgrund der hohen Konkurrenz) verblüffend moderate Preise aufwiesen: Kalte Getränke, Mittagessen, Süßes, aber auch Wurstwaren, Obst und sogar Gewürze. Hier konnte man sich gut für die Fahrt eindecken. Unser zuvor gekaufter Reise-Proviant war in Anbetracht dessen eher unnütz. Nach etwa vier Stunden erreichten wir Pak Chong und hatten für die Fahrt pro Person umgerechnet weniger als 90 Cent bezahlt.
In Pak Chong wartete in einer Nebenstraße ein zum Bus umgebauter Truck auf uns. Auf der Ladefläche harrten wir aus, bis sich nach circa einer Stunde genug Fahrgäste angesammelt hatten. Dann ging es laut hupend und den Schlaglöchern ausweichend über Land – von Dorf zu Dorf. An der Endhaltestelle in der letzten Ortschaft stiegen wir aus.
Ein letzter Fußmarsch in der Abenddämmerung führte uns vorbei an einer Horde halbwilder, kläffender Hunde, bevor wir nach etwa 20 Minuten in einem Haus Licht brennen sahen… Wir hatten unser Ziel erreicht.
Geschichtlicher Abriss der Farm
Vor zwei Generationen
Eine US-Familie möchte mit ihren Kindern nach Australien auswandern. Ihr Flug landet in Thailand zwischen. Dort wird ihnen allerdings die Weiterreise nach Australien verwehrt. Die Familie bleibt und zieht im Land ihre Kinder groß. Eines ihrer Kinder (Dawn) heiratet einen Thai (Tosh) und schlägt im Land wurzeln.
Vor einer Generation
Dawn und Tosh sind Missionare. In bestimmten Gebieten im Nordosten Thailands liegen Landstriche brach. Dort darf Grund und Boden kostenlos in Besitz genommen werden, sofern man darauf Landwirtschaft betreibt. Das opportunistische Missionars-Ehepaar nutzt dies und gründet mitten in der Pampa eine der ersten Bibel-Schulen Thailands – ohne fließend Wasser oder gar Elektrizität. Sie starten mit nahezu nichts, aber sie sind jung und voller Tatendrang.
Die Botschaft von den zwei Neuankömmlingen spricht sich im Umland herum. Menschen aus der näheren Umgebung, aber auch Ureinwohner der Bergvölker (engl. Hilltribes) kommen, christliche Gemeinden im ganzen Land schicken ihnen Anwärter, denen es meist nicht an Glaube, wohl aber an solider Grundausbildung fehlt. All diese Menschen erhalten in der hiesigen Bibel-Schule kostenlos eine fundierte Allgemein-Bildung und werden in christlicher Lehre unterrichtet. Vor allem ersteres eröffnet ihnen erhebliche Chancen innerhalb der Thailändischen Gesellschaft. Letzteres sorgte dafür, dass einige der Schüler ihrerseits Missionare bzw. Pfarrer werden und im Land verteilt Gemeinden oder Wohlfahrtsorganisationen gründen.
Heute
Drei Dekaden später hat das Ehepaar etliche Thais ausgebildet und zehn Kinder in die Welt gesetzt. Sie besitzen Ziegen, Schafe, Gänse und Hühner. Auf den umliegenden Feldern gedeiht Mais. Die Wiesen werden regelmäßig gemäht. Auf dem Anwesen befinden sich ein halbes Dutzend Häuser, ein künstlich angelegter Teich, eine Kirche und sogar eine Radiostation. Die Häuser verfügen über fließend Wasser, Elektrizität und – eine absolute Rarität auf dem Land in Thailand – schnelles Internet.
Die Familie
Auf dem Gelände leben derzeit die Mutter Dawn und der Vater Tosh sowie drei Söhne: Jessada (der Älteste), Benjamin und Zeke (der Jüngste). Bei der täglich anfallenden Arbeit helfen ihnen bis zu fünf Freiwillige, die im Zwei-Wochen-Takt rotieren. Neben Michaela und mir waren das während unserer Zeit Rosy (aus Brasilien) und Rebecca (aus Irland).
Einschätzung und Erlebnisse
Die Familie weiß um die Fehler der Missionare in vergangenen Jahrhunderten und hat nicht alles perfekt, aber sicherlich einiges besser gemacht. Beispielsweise respektieren sie die lokalen Strukturen und Riten. So lassen sie bewusst zu, dass die örtliche Kirchengemeinde einen Weg findet, Evangelismus mit dem eigenen, traditionellen Brauchtum in Einklang zu bringen; die Adaption und Uminterpretation einzelner Aspekte christlicher Glaubenspraxis machen es den Thais leichter, die fremde Religion anzunehmen.
So streng das Ehepaar in der Einhaltung vorgegebener Regeln und der Erledigung aufgetragener Pflichten sind – sowohl bei Ihren frühen Bibelschülern als auch bei ihren eigenen Kindern – so tolerant sind sie gegenüber anderen Lebenseinstellungen und der freien Entfaltung jedes Individuums. Ihr Sohn Jesse hat niemals zum christlichen Glaube gefunden, dennoch unterstützen sich Sohn und Eltern gegenseitig, so gut sie können.
Jesse kam nach seiner Ausbildung in Amerika zu seinen Eltern auf den Hof zurück, um ihnen bei der Pflege und Entwicklung des Anwesens zu helfen. Er startete das Freiwilligenprogramm, über welches wir zu der Familie stießen und ohne das die Ländereien wohl nicht mehr in ihrer jetzigen Form bestellt würden. Er möchte ab Ende des Jahres 2015 hier einen Gästehaus-Betrieb ins Rollen bringen und leitet dafür derzeit alles Notwendige in die Wege. Keine Frage, dass wir all unseren Lesern einen Urlaub hier wärmstens empfehlen wollen, sobald das Business angelaufen ist!
Unser Alltag: Schroff, herzlich, lecker
Trotz aufgeschlossener, moderner Familie war die Arbeitsteilung eher klassisch als emanzipiert. Die Frauen putzten und halfen in der Küche, die Männer handwerkten und mähten Rasen.
Als ich bei Arbeitsantritt die Frage nach Handschuhen wagte, bekam ich prompt die Gegenfrage gestellt, ob ich Michael Jackson heiße. Daneben hörte ich Kommentare wie „Probier den Kaffee ohne Milch und Zucker, so trinken ihn echte Männer!“ oder „Es ist nicht wichtig, vorsichtig zu sein. Getting things done ist hier die Devise!“, immer mit einem halb ernsten, halb neckischen Unterton.
Nach und nach lernte ich den Umgang mit Machete, Traktor und diversen anderen Gerätschaften. Draußen in der Natur mussten Wege freigeschnitten und neu in Stand gesetzt werden. Dabei zog ich mir unentwegt blaue Flecken, Kratzer oder leichte Blessuren zu. So lernte ich jeden Tag ein bisschen mehr, was es heißt, auf dem Land ein richtiger Mann zu sein. :)
Einen Tag brannte ich mir die obersten Hautschichten am Ellbogen weg, weil beim Rasenmäher die Abdeckung fehlte und ich den heiß gewordenen Motor versehentlich streifte. Sofort standen mir Jesse und Ben zur Seite, der eine mit einem salbei-artig schmeckendem Kraut mit angeblich heilender Wirkung, der andere mit einem frisch abgebrochenen Strung einer Ayurveda-Pflanze, deren zähflüssigen Saft er auf der Wunde verteilte. Der allgemeine Umgang miteinander war – zumindest unter uns Männern – derb aber zugleich herzlich und fürsorglich!
Auch unter den Freiwilligen verstanden wir uns prächtig, spielten Siedler von Catan oder Super Mario Cart auf Nitendo 64, redeten oder unternahmen gemeinsam Touren.
Dawn (die Mutter) kümmerte sich immer erstklassig um uns Freiwillige, fragte stets nach unserem Empfinden, versuchte es uns angenehm zu machen und sorgte für viel, leckeres und frisches Essen. Dieses wurde meist aus eigenen oder zumindest im umliegenden Dorf erworbenen Zutaten zubereitet. Curry, Bananenbrot, gebratener Reis, Salate, Pfannkuchen… das Angebot war vielseitig und reichlich; erstmals kosteten wir die Thai-Küche (angereichert um US-Einflüsse) in ihrer ganzen Bandbreite aus.

Schlusswort
Nach zwei Wochen täglichem, gemeinsamem Aufstehen in der Morgendämmerung, Arbeiten und Zusammenleben sind uns die Menschen vor Ort erstaunlich vertraut. Wir haben die Zeit hier sehr genossen und alle Anwesenden ins Herz geschlossen. Angeblich waren wir hier die Freiwilligen Nr. 119 und 120. Hoffentlich bleiben wir bei all der Volunteering-Routine als mehr als diese Nummern in Erinnerung…
Fröhlichste Weihnachten, Ihr Kinderlein!
Hier war es sehr schön, wie immer, mit dem gleichen Stress und den gleichen Freuden, wie immer! Eines Tages müsst Ihr Euch auch die wunderbare tausendjährige Abteikirche in Otterberg ansehen :-) . Das geplante “Weihnachten-light” bzw. “Weihnachten-zero” mutierte dann aber doch wieder zu “Weihnachten-XXL”. War aber großartig! Bitte bitte wohnt und arbeitet bald in Berlin, damit Ihr auch mal die Kinder betreuen könnt :-)
Diese Missioniererei kotzt mich doch weiterhin an…. obwohl sie – zumindest wie es hier scheint – mehr Vor- als Nachteile zu haben scheint. Auch das Bild mit den auf dem Boden liegenenden Leuten erweckt sehr ungute Gefühle. Es ist wie mit den stalinistischen und allen anderen gewaltsamen Umsiedeleien: noch in 150 Jahren werden die umgesiedelten Ethnien Randgruppen im eigenen Land sein, Fremdkörper, “zurück-wollen”, “ihre Wurzeln suchen”, oder als Parteien in irgendwelchen Bürgerkriegen auftauchen! Ist das wirklich nötig, diese ach-so-grandiose Jesusgeschichte in einem budhistischen Land zu implementieren??? Finde ich nicht. Aber offenbar braucht der Mensch so einen ideologischen Heilsanspruch – eben eine Mission, einen Raketenantrieb – um all eigentlichen Dinge zu vollbringen: Landnahme, Kultivierung, Zivilisierung, Entwicklung, Gemeinschaft, Bildung etc. etc.. Letzteres wird dann fälschlich dem Hern Jesus aufs Konto geschrieben, so wie die sozialen Wohltaten der Hamas im Gazastreifen. Naja, aber offensichtlich sind sie tolerant geblieben, … ein ganz klar Fortschritt!